Auf dem Neckarsteig - Eine Wanderung mit unvergesslichen Impressionen
Der Neckarsteig ist ein 2011 vom Deutschen Wanderverband als 'Qualitätsweg Wanderbares Deutschland' zertifizierter Fernwanderweg. Auf einer Länge von ca. 127 Kilometern führt er den Wanderer durch den südlichen Odenwald. Es geht durch wellige Wald- und Wiesenlandschaften sowie malerische Städte und Dörfer, stets das wunderschöne Neckartal im Blick habend. Die Vielzahl an beeindruckenden Burgen, die es entlang des Weges zu entdecken gibt, dürfte nur eines der zahlreichen Motive sein, die den Wanderfreund dazu veranlassen, auf dem Neckarsteig zu wandern. Angesichts der vielen Sehenswürdigkeiten ist er gut beraten, sich für die abwechslungsreiche Strecke ausreichend Zeit zu nehmen. Auf ein leichtes Unterfangen sollte er sich dabei nicht einstellen. Über 3000 Höhenmeter machen den Neckarsteig, welcher durch ein blaues, geschwungenes 'N' auf weißem Grund durchgängig sehr gut gekennzeichnet und in beide Richtungen begehbar ist, zu einem anspruchsvolleren Weg. Vielleicht ist es gerade die Tatsache, dass der Weg an den Wanderer hohe Anforderungen stellt, zugleich aber vielerorts die Möglichkeit zur gemütlichen Einkehr bietet, dass die Leser der Fachzeitschrift 'Wandermagazin' den Neckarsteig 2018 zu 'Deutschlands schönstem Wanderweg' kürten.
Etappe Bad Wimpfen - Burg Hornberg/Neckarzimmern
Ausgangspunkt für die Wanderung auf dem Neckarsteig ist Bad Wimpfen, eine am Neckar gelegene Kurstadt mit spannender Geschichte. In der schmucken historischen Altstadt gibt es neben einer perfekt erhaltenen Stadtmauer sowie herrlich restaurierten Fachwerkhäusern viel zu entdecken, sodass ein Jeder gut beraten ist, in der größten Kaiserpfalz nördlich der Alpen nicht erst kurz vor dem Beginn der Wanderung anzureisen. Wurde dem idyllisch gelegenen Kloster, dem Blauen Turm und den Arkaden des Staufischen Palais ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt, kann das Abenteuer wandern auf dem Neckarsteig starten. Den Wanderer erwarten auf der ca. 21 Kilometer langen, mittelschweren Etappe in der Regel gut begehbare Wege durch überwiegend offene Landschaften. Zunächst führt der Wanderweg direkt am Neckar entlang. Ein befestigter Fuß- und Radweg geht später in einen einsamen Feldweg über. Weinberge prägen auf den folgenden Kilometern das Bild. Ein längerer Aufenthalt lohnt im kleinen Ort Heinsheim, welcher sich in leichter Hanglage oberhalb des Flusses befindet. Über dem Ort thront die aus dem 12. Jahrhundert stammende und in Privatbesitz befindliche Burgruine Ehrenberg.
Etwa zwei Kilometer westlich der Ruine liegt der Jüdische Friedhof Heinsheim als einem der ältesten, größten und eindrucksvollsten jüdischen Friedhöfe Deutschlands. Sehenswert sind außerdem die jüdische Synagoge, das Schloss sowie die im 10. Jahrhundert erstmals erwähnte Bergkirche. Weite Wiesen und Felder säumen den Weg, bevor die Dichte an Bäumen zunimmt und die Burg Guttenberg zu sehen ist. Der Aufstieg dürfte vor allem für Geschichtsbegeisterte interessant sein, denn die im 12. Jahrhundert errichtete Höhenburg beherbergt ein Museum, das den Besucher in die Ritterzeit entführt. Untergebracht ist in der Burg auch die Deutsche Greifenwarte, deren Flugvorführungen mit Adlern, Eulen und Geiern den Burgbesucher zum Staunen bringen. In der Burgschenke kann der Wanderer bei mittelalterliche Gewänder tragenden Knappen und Mägden eine Bestellung aufgeben und sich für die letzten Kilometer stärken.
War der Wanderer bisher am westlichen Flussufer unterwegs, ist am Ende der Etappe ein Überqueren des Neckars erforderlich, um das Ziel Neckarzimmern zu erreichen. Vom kleinen Ort bietet sich ein schöner Blick ins Tal. Lohnenswert ist ein Ausflug auf dem Panoramaweg zur Burg Hornberg mit anschließender Übernachtung, die sich unweit südöstlich des Ortskerns befindet und 45 Jahre lang dem berühmten fränkischen Reichsritter Götz von Berlichingen als Lebensmittelpunkt diente. Eine Besichtigung ist täglich möglich, und das Panoramarestaurant lädt zur Einkehr ein. Als Erinnerung an die 1940 erfolgte Deportation zahlreicher Jüdinnen und Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland fungiert ein in Form eines Davidsterns gestaltetes Mahnmal.
Etappe Burg Hornberg/Neckarzimmern - Neckargerach
Wie auch bei der vorherigen Etappe führt der Wanderweg weiter in nördliche Richtung. Auf der zweiten Etappe verläuft der Neckarsteig allerdings östlich des Flusses. Unterwegs ist der Wanderer größtenteils auf naturnahen, vorwiegend gut begehbaren Wegen. Einzuordnen ist die Etappe als mittelschwer bis schwer. Nur wenige Kilometer sind es von Neckarzimmern bis zur Kreisstadt Mosbach, die mit ihrer historischen Altstadt mit ihren schönen Fachwerkhäusern, engen Gassen und gemütlichen Cafés einen idealen Ort zum längeren Verweilen darstellt. Einen Besuch wert sind das Kulturzentrum 'Alte Mälzerei' sowie das Stadtmuseum, welches über die Stadt-, Regional- und Kulturgeschichte informiert. Nördlich der Stadt fordert der Neckarsteig dem Wanderer einiges ab, denn die durch ausgedehnte, offene Hochflächen geprägte Umgebung vom Hamberg, Henschelberg und Schreckberg, allesamt Naturschutzgebiete, ist hügelig.
Herrliche Ausblicke ins Neckartal lassen die Strapazen jedoch schnell vergessen. Dem Auge bietet sich eine strukturreiche Landschaft, bestehend aus Wiesen und Wacholderfluren. Vielerorts finden sich Trockenmauern als Zeugen früherer Landnutzungen. Einst zur Stützung der Anbauterrassen errichtet, stellen sie heute wertvolle Lebensräume für eine Vielzahl spezialisierter Tier- und Pflanzenarten dar. Mit ein wenig Glück sieht der Wanderer eine Eidechse über eine der Mauern huschen. Wälder und Felder hinter sich lassend, steht nun einer der spektakulärsten Abschnitte auf dem Neckarsteig bevor: die etwa 300 Meter lange Margarethenschlucht. Um sich im Neckar zu ergießen, bahnte sich der Flursbach seinen Weg durch das Buntsandgestein des Odenwalds.
110 Höhenmeter überwindet der Bach auf acht Wasserfallstufen. Ein Durchqueren der seit 1940 unter Naturschutz stehenden, wildromantischen Schlucht erfolgt auf schmalen Wegen, Metalltreppen und Stegen. Es ist ein spannendes Erlebnis, sollte allerdings nur bei trockenem Wetter in Betracht gezogen werden, da es bei Regen hier und da doch gefährlich werden kann. Um welche Gefahren es sich handelt, ist auf der Warntafel hinter der kleinen Schutzhütte am Eingang der Margarethenschlucht zu lesen. Oberhalb des Neckars und der Bahngleise führt der Wanderweg, von welchem sich ein herrlicher Blick auf die gegenüberliegende Neckarseite bietet, in das unweit entfernte Neckargerach, dem zweiten Etappenziel.
Etappe Neckargerach - Neunkirchen
Während die kleine Gemeinde Neckargerach auf der östlichen Seite des Neckars liegt, befindet sich ihr Wahrzeichen auf der anderen Seite. Dank ihrer besonderen Lage auf einem bewaldeten Berghang ist die Burgruine Minneburg jedoch gut zu erkennen. Um das Etappenziel Neunkirchen zu erreichen, überquert der Wanderer zunächst den Neckar und passiert das Dorf Guttenbach. Westlich des Neckars bietet sich ihm die Möglichkeit, sich die romantische Burgruine Minneburg aus nächster Nähe anzuschauen.
Weiter in westliche Richtung wandernd, entfernt er sich zunehmend vom Fluss. Laubmischwälder dominieren die Landschaft. Idyllisch gelegen, bietet sich vom kleinen Ort Neckarkatzenbach ein guter Blick auf den Mittelberg, einem ehemaligen sogenannten Umlaufberg. Von dem Aussichtspunkt Linde lässt sich gut erkennen, welch' anderen Lauf der Neckar vor etwa 200.000 Jahren hatte. Ein kleines Gasthaus in Neckarkatzenbach lädt zur Rast ein.
Weiterhin durch bewaldetes Gebiet wandernd, erreicht der Wanderer schließlich die kleine Gemeinde Neunkirchen. Sehenswert sind neben mehreren historisch wertvollen Fachwerkgebäuden die katholische Kirche und evangelische Kirche. Die dritte Etappe hat eine Länge von etwa 18 Kilometern und lässt sich insgesamt als mittelschwer bezeichnen.
Etappe Neunkirchen - Eberbach
Die vierte Etappe führt den Wanderer wieder in nördliche Richtung, sodass dieser sich wieder dem Neckar nähert und dem Fluss zunächst westlich und später östlich folgt. Mit einer Länge von über 18 Kilometern. Indem viele Höhenmeter genommen werden wollen, ist sie zugleich auch die anspruchsvollste. Der ambitionierte Wanderer ist nach drei zurückliegenden Wandertagen allerdings gut eingelaufen, sodass die vor ihm liegenden Kilometer kein Problem darstellen sollten. Nach dem Start in Neunkirchen erreicht der Wanderfreund den Reihersee, mit dessen Anlage man 1973 das Ziel verfolgte, einer gefährdeten Graureiherkolonie einen geschützten Lebensraum zu bieten. Von der nahe der Ruine der Höhenburg Stolzeneck gelegenen Felsenhütte lässt sich ein schöner Ausblick über das Neckartal genießen.
Der Wilde Waibelsberg hat schon fast alpinen Charakter. Die Teufelskanzel gewährt einen Blick auf den Rockenauer Steinbruch sowie die im Ort befindliche Schleuse. Besonders spektakulär ist die Aussicht, die sich vom Ernst-Hohn-Pavillon, einer am Rande von weiten Wiesen und Wäldern stehenden Schützhütte, über das Neckartal bietet. In der hiesigen offenen Landschaft finden sich viele Streuobstwiesen, die der Wanderer auf gut befestigten Wegen passiert. Vor dem Etappenziel Eberbach, welches sich direkt am Fluss befindet, ist der Neckarsteig identisch mit dem Eberbacher Pfad der Flussgeschichte. Auch oberhalb der Kleinstadt Eberbach stand im Mittelalter eine Burg, von der heute allerdings nur noch eine Ruine erhalten ist. Von der mittelalterlichen Stadtbefestigung sind vier Türme gut erhalten.
Etappe Eberbach - Neckarsteinach
Die fünfte Etappe ist als mittelschwer einzustufen und führt in südwestlicher Richtung hauptsächlich durch Mischwälder, die dem Wanderer an heißen Sommertagen willkommenen Schatten spenden. Dies ist beispielsweise im Gretengrund der Fall. Der Neckarsteig ist auf den ersten Kilometern meist eben. Nachdem der Umlaufberg Tannenkopf umrundet ist, bietet sich an der Schutzhütte vom Steinernen Tisch die Möglichkeit zur Rast. Wer mag, legt später an der Hoppe-Hütte eine Pause ein.
Bevor das Altstadt-Ensemble von Hirschhorn bzw. das zur Kleinstadt gehörende Schloss erreicht wird, erwartet den Wanderer ein recht steiler Trail. Auf dem Hohen Darsberg oberhalb von Neckarsteinach befindet sich der 'Goetheblick' genannte Aussichtspunkt, von dem allerdings nicht klar ist, ob der Schriftsteller hier wirklich einmal zugegen war. Nicht mehr weit ist es bis zur Kleinstadt Neckarsteinach, die für ihre vier Burgen Hinterburg, Mittelburg, Vorderburg und Schwalbennest bekannt ist.
Etappe Neckarsteinach - Heidelberg
In der Vierburgenstadt Neckarsteinach startend, verläuft die sechste Etappe in westlicher Richtung. Zunächst gilt es aber den Neckar zu überqueren. Entlang eines schönen, von Laubmischwäldern umgebenen Pfades erreicht der Wanderer das beschauliche Dilsberg. Hier lohnt sich ein Besuch der militärisch nie eroberten Burgfestung. Die Friedenslinde eignet sich sehr gut für eine kleine Brotzeit. In Neckargemünd erwarten den Wanderer ein beeindruckendes, aus Buntsandstein erbautes Stadttor sowie eine Altstadt mit kleinen Gassen und hübschen Fachwerkhäusern. Die im oberen Stadtwald gelegene Bockfelsenhütte bietet eine herrliche Sicht auf die Stadt und die Neckarschleife.
Freunde alter Gemäuer können die Ruine der im 12. Jahrhundert erbauten Höhenburg Reichenstein besichtigen. Aufstiege und Abstiege, schmale Pfade sowie fantastische Ausblicke über den Neckar, wie es beispielsweise vom Gämsberg-Pavillon der Fall ist, prägen den Neckarsteig bis zum Königstuhl. Letzterer ist einer der beiden Hausberge von Heidelberg. Bei wolkenfreiem Himmel ist es möglich, über den Oberrheingraben bis zum Pfälzer Wald zu sehen. Nun wollen noch die 1200 grob behauenen Treppenstufen aus Sandstein herabgestiegen werden, ehe mit der Altstadt der ehemaligen kurpfälzischen Residenzstadt Heidelberg das Ziel des Neckarsteigs erreicht ist.
Wandergenuss auf dem Neckarsteig
Die abwechslungsreiche Landschaft aus weiten Wiesen und Feldern sowie dichten Mischwäldern, welche den Naturpark Neckartal-Odenwald kennzeichnet, macht den Neckarsteig zu einem idealen Weg für naturverbundene Wanderer. Verträumte Dörfer und Städte liegen reizvoll in den sanften Hügeln des nordwestlichen Baden-Württembergs. Mit ihren traumhaften, alten Burgen und Schlössern und prächtigen Fachwerkensembles laden sie ein, entdeckt zu werden. So verspricht der Neckarsteig auch für Kulturinteressierte ein erstklassiges Wandererlebnis. In den örtlichen Gaststuben lässt es sich hervorragend einkehren. Hier kann der Wanderer nicht selten nicht nur regionale Spezialitäten, sondern auch einen genialen Ausblick in das wunderschöne Neckartal genießen.
Mit Tagesetappen, die nicht länger als max. 28 Kilometer sind, eignet sich der Neckarsteig auch für Wanderer, die eher gemütlich unterwegs sind, sowie für Familien mit sportlichen Kindern. Im Allgemeinen sind eine gute Kondition sowie Trittsicherheit erforderlich. So lassen sich das mancherorts unwegsame Gelände sowie die moderaten Höhenunterschiede gut meistern. Es empfiehlt sich, den Neckarsteig mit guter Ausrüstung zu wandern, sodass auch kleine Abenteuer wie das Passieren der wildromantischen Margarethenschlucht als einem der Highlights des Weges problemlos möglich sind.
Wer statt der sechs Etappen lediglich Teilstrecken zurücklegen möchte, hat die Möglichkeit, mit Bus oder Bahn bequem und schnell an den Startort zurückzufahren. Sämtliche Start- und Zielorte der einzelnen Etappen verfügen über eine Anbindung an den Öffentlichen Personennahverkehr. Soll den Füßen einmal Ruhe vom Wandern gegönnt werden, bietet es sich an, eine Strecke auf einem Schiff zurückzulegen und das Neckartal aus einer anderen Perspektive zu erleben. Ob hinauf in die steilen Hänge oder hinab zum Fluss blickend, die im Neckartal zu genießenden Eindrücke machen eine Wanderung auf dem Neckarsteig zu einem unvergesslichen Erlebnis.